Mittwoch, 5. Mai 2010

AEK-GV: Ansprache von Präsident Ulrich Bucher

Gartenarbeit
Mit der warmen Jahreszeit verbringen wir wieder mehr Zeit im Freien. So ein sonniger Frühlings- oder Sommertag im Garten ist sehr entspannend. Etwas lästig ist aber das Gebrumm der Rasenmäher in der Nachbarschaft. Ist das nötig? Nein! Motorisierte Rasenmäher sind völlig überflüssig. Eine gute alte Sichel tut es in aller Regel auch.

Hier der Beweis: Nehmen wir an, sie müssen eine Rasenfläche von einer Are pflegen. Pro Saison sind so etwa 20 Schnitte notwendig. Hochgerechnet mähen Sie also pro Jahr insgesamt eine Fläche von 20 Aren bzw. 2000 m2. Wenn Sie die Rasenpflege exakt auf 365 Tage verteilen, ergibt das pro Tag eine Fläche von etwa 5,5 m2. Das schafft man doch mit einer Sichel problemlos. Das Resultat stimmt. Die Schlussfolgerung ist trotzdem völlig unsinnig. Deshalb sagt wohl der Volksmund „traue keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast“.

Leider wird auch im Energiesektor gar nicht so selten mit unhaltbaren Kennzahlen operiert. Nur theoretisch mögliche Werte, heikle Durchschnitte, unzulässige Vergleiche usw. sind an der Tagesordnung. Dazu ein Beispiel: Es ist zwar interessant zu wissen, wie hoch die Energieausbeute einer Solaranlage ist. Aber es wäre auch interessant zu wissen, wie hoch der Anteil der Solarenergie im Zeitpunkt der Leistungsspitze (AEK = 27.01.2009, 11.30 Uhr) war.
Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Ich finde die Solarenergie eine gute Sache. Sie ist zweifellos förderungswürdig. Gewisse Projekte finde ich aber nicht besonders durchdacht. Dass Solaranlagen in der Wüste eine hohe Energieausbeute bringen würden, ist nachvollziehbar. Aber möchten Sie, dass ein unerlässlicher Teil des Strombedarfs der Schweiz beispielsweise im Einflussbereich von Herrn Muammar al-Gaddafi produziert wird?

Die wichtigste Pflicht der Energieunternehmen ist, die Gewährleistung einer unterbruchsfreien Versorgung in ausreichender Qualität. (Dazu ein kleiner Hinweis: Auch Strom hat qualitative Komponenten. z.B. Stabilität in der Spannung und der Frequenz, wenig Störendes wie z.B. Oberwellen usw).
Ein Netz muss auch bei Spitzenbezügen stabil betrieben werden können. Selbst dann, wenn beispielsweise eine wichtige Zubringerleitung ausser Betrieb ist. Im Energiebereich ist entscheidend, was man wirklich kann und nicht was man eventuell könnte.

Wieder zurück zur Statistik: Der Energieabsatz der AEK ist 2009 ganz massiv eingebrochen. Die Begründung ist klar aber auch besorgniserregend. Der Rückgang des Energiebedarfs im AEK-Gebiet ist eine Folge der weltweiten Krise. Sie hat unsere stark industrialisierte Region hart getroffen.

Zum Bedarfsrückgang einige Details: Der Strombedarf ist bei den Privatpersonen praktisch stabil geblieben. Im industriellen Bereich ist der Einbruch aber markant. Ich fürchte sehr, der Nachfragerückgang wird nun von einigen Statistikern völlig falsch interpretiert, nur um den Beweis zu erbringen, dass der Bau von neuen Grosskraftwerken gar nicht notwendig sei.
Es ist völlig logisch, dass die Betriebseinstellung eines Industrieunternehmens – konkret der Borregaard – kurz- bis mittelfristig einen Minderbedarf von Energie auslöst. Aber früher oder später wird das heute brachliegende Areal erneut industriell genutzt. Wenn gleichzeitig die Weltwirtschaft wieder gut läuft, sind wir rasch wieder auf den Werten von 2008. Noch wahrscheinlicher ist, dass diese – entsprechend dem langjährigen Trend – sogar noch überschritten werden.
Wer jetzt – nur aufgrund der momentan tieferen Stromnachfrage in unserer Region – eine Abkehr von der Viersäulenpolitik des Bundes fordert, hat nicht begriffen, dass die Werke extrem langfristig planen und auch realisieren müssen. Nur so kann die Versorgungssicherheit gewährleistet werden. Die Gesetze der Physik können weder mit Statistiken noch mit Paragrafen beeinflusst werden. Bekanntlich muss jeder Strombezug gleichzeitig in einem Werk produziert und über das Netz dem Verbraucher zugeleitet werden.

Wenn wir die Leistungsspitzen im gleichen Zeitraum betrachten, ist leicht erkennbar, dass die Unterschiede zwischen den Jahren kleiner sind, als beim Strombezug. Ich habe es bereits erwähnt: Die Netz-Infrastrukturen müssen die Spitzenbelastungen aushalten können. In diesem Zusammenhang noch eine kurze Bemerkung zum Sparen. Ich habe es an einer AEK-GV bereits erwähnt. Energie sparen ist gar nicht so schwierig. Allerdings liegen die Sparmöglichkeiten speziell im Bereich der Wärme und viel weniger beim Strom. Oft ist es sogar so, dass Anlageoptimierungen im Bereich Kälte und Wärme zu höheren Strombezügen führen.

Fazit zum ersten Teil
Auch im Energiebereich gibt es eine Differenz zwischen Wollen und Können. Die Werke haben sich nach dem Können zu richten. Das heisst nicht, dass innovative Entwicklungen und moderne Technologien keinen Platz haben. Aber ihre Implementierung hat so zu geschehen, dass keine unzulässigen Risiken bezüglich Versorgungssicherheit eingegangen werden. Zudem müssen auch die finanziellen Folgen beachtet werden. Es ist unfair, die Einführung von neuen und teuren Technologien zu fördern und gleichzeitig zu verlangen, dass Dritte für die Kosten aufkommen müssen. Darum mein Tipp: Verkaufen Sie Ihren Rasenmäher nicht. Die Aufteilung der Rasenpflege auf 365 Tage ist nicht möglich.
Hinterfragen Sie Statistiken und Aussagen im Energiebereich sehr kritisch. Und wenn Sie unsicher sind, fragen Sie die Fachpersonen zum Beispiel der AEK. Ihre Aussagen basieren auf umfassendem Wissen im wichtigen Versorgungsgeschäft. Echte Fachpersonen sagen was möglich ist und nicht was schön wäre, wenn es gegebenenfalls einmal möglich würde.


Kunstturnen
Wer hier im Saal kann direkt aus dem Spagat einen doppelten Salto machen?
Ich nehme an niemand. Diese Übung ist unmöglich. Die Rolle des Staates bzw. der öffentlichen Hände ist im Energiebereich fast mit der Beherrschung dieser unmöglichen Turnübung vergleichbar. Dass der Staat als Regulator auftritt, ist völlig in Ordnung. Schliesslich hat er für geordnete Verhältnisse in unserer Gesellschaft zu sorgen. Die zweite öffentliche Aufgabe, nämlich im Konfliktfall zu richten, entspricht unserem Staatsverständnis und unserem Rechtsempfinden.

Aber zahlreiche öffentliche Hände sind auch Werkseigentümer. In dieser Rolle wollen sie Gewinnausschüttungen. Gleichzeitig erteilen sie Konzessionen und erheben dafür Gebühren. Für die Nutzung der Gewässer ist ebenfalls eine Konzession notwendig, und es sind Wasserzinsen zu entrichten. Plangenehmigungen und teilweise Betriebsbewilligungen für Leitungen, Werke usw. sind eine weitere Domäne des Staates. Dann sind Steuern zu entrichten. Aber nicht alle Unternehmen unterliegen der Steuerpflicht. Daneben will die Politik erneuerbare Energien fördern, fordert ökologische Ausgleichsmassnahmen bei Bauwerken und will die Volkswirtschaft und die Konsumenten möglichst wenig belasten.

Die einzelnen politischen Stossrichtungen sind absolut sinnvoll. Aber die gleichzeitige Aufzählung zeigt, sie widersprechen sich teilweise. Ich persönlich erachte die Kombination von Gesetzgeber und Regulator einerseits und Marktplayer andererseits als extrem heikel. Die Versuchung ist gross, die eigenen Interessen bereits in die Gesetzgebung einzupacken.

Zugegeben, da sind ja noch die Parlamente als Korrektiv. Aber diese haben in den letzten Jahren laufend an Einfluss verloren. Einerseits wird auch die schweizerische Gesetzgebung, aufgrund der zahllosen internationalen Verflechtungen, teilweise in Brüssel und andernorts vorgegeben. Andererseits werden Gesetze so komplex ausgestaltet und formuliert, dass gar nicht so selten die Gerichte entscheiden, wie ein einzelner Paragraf gemeint und anzuwenden sei.
Die Sache ist wirklich nicht einfach. Ich kenne auch kein Patentrezept um die sich teilweise widersprechenden Interessen zu einem tragfähigen Kompromiss zusammenzufügen. Aber einige Wünsche an die Regulatoren gibt es aus AEK-Sicht durchaus:

Die Gesetzgebung muss verständlich sein.
Die Gesetzgebung muss für korrekte und faire Marktbedingungen innerhalb der gesamten Branche sorgen.
Markt kann nur funktionieren, wenn Marktmöglichkeiten bzw. Freiheiten bestehen.
Oberstes Ziel der Gesetzgebung muss die Gewährleistung der Versorgungssicherheit sein und eine praktisch 100-prozentige Verfügbarkeit des Produktes Strom in ausreichender Qualität zu haben.
Existenzielle Abhängigkeiten vom Ausland sind zu vermeiden. Wenn Strom knapp wird, werden nationale Egoismen mit extrem grosser Wahrscheinlichkeit über Verträge gestellt.
Die Schaffung bzw. der Erhalt einer gesunden Eigenkapitalbasis der Werke ist durch den Gesetzgeber zu fördern und nicht zu behindern. Nur so wird nämlich dem Erhalt und dem notwendigen Ausbau der Infrastruktur die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt.
Bei einschneidenden Veränderungen sind ausreichende Übergangsfristen zu gewähren.
Nicht ständig an der Gesetzesschraube drehen. Die Halbwertszeit von Erlassen ist teilweise unerträglich kurz geworden.

Fazit zum zweiten Teil
Es ist völlig in Ordnung, dass ein Turnlehrer von seinen Schülerinnen und Schülern immer etwas mehr fordert, als sie bereits können. Überforderung und insbesondere ständige Überforderung frustriert. Auch in der Gesetzgebung gilt: Weniger ist manchmal mehr.

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Kabelverlegung4119

Aktion für eine vernünftige Energiepolitik Schweiz Kanton Solothurn

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